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Sieben offene Fragen zum Fall Nawalny, Nowitschok und Nord Stream 2 von Jürgen Todenhöfer

Von Alexander Männer

Die vermutete Vergiftung des russischen Kremlkritikers Alexej Nawalny und die Suche nach den Verantwortlichen für diese Tat gilt derzeit als ein Streitgegenstand zwischen Moskau und Berlin, der von mehreren Staatschefs und hochrangigen Politikern sogar mit der Ostseepipeline "Nord Stream 2" in Verbindung gebracht wird. Der US-Staatschef Donald Trump rief in diesem Zusammenhang erneut dazu auf, Nord Stream 2 aufzugeben. Auch in Deutschland werden die Rufe immer lauter, als Vergeltung für die "Vergiftung" Navalnys aus dem milliardenschweren Erdgas-Projekt auszusteigen.

Der prominente Nahost-Experte Jürgen Todenhöfer hat zum Fall Nawalny sieben offene Fragen im Netz aufgeworfen und damit eine heiße Diskussion unter seinen Lesern angeregt. Todenhöfer spricht von einem "Mordversuch an Nawalny" und daher von einem "unentschuldbaren Verbrechen", das berechtigterweise eine "echte Aufklärung" erfordert, jedoch "keine Vorverurteilungen".

Zur Errinerung: Nawalny hatte am 20. August auf einem Flug von Tomsk (Westsibirien) in die russische Hauptstadt Moskau das Bewusstsein verloren, woraufhin das Flugzeug unverzüglich in Omsk landete und der russische Oppositionelle in ein Krankenhaus der Stadt gebracht und dort in ein künstliches Koma versetzt wurde. Auf Drängen seiner Familie und nachdem die Omsker Ärzte Nawalny als transportfähig erklärt hatten, wurde der 44-Jährige in die Berliner Charité verlegt. Inzwischen konnte das durch Medikamente aufrechterhaltene künstliche Koma des Russen Ärzteangaben zufolge beendet werden.

Die Bundesregierung hatte am 2. September nach Untersuchungen eines Spezial-Labors der Bundeswehr mitgeteilt, sie sehe es als zweifelsfrei erwiesen an, dass Nawalny mit einem chemischen Nervenkampfstoff der Nowitschok-Reihe vergiftet worden sei.

Daraufhin und nach dem Aufruf der G7-Staaten, die Verantwortlichen hinter der "Vergiftung" des Oppositionellen zur Rechenschaft zu ziehen, forderte Russlands Außenamt die Bundesregierung nachdrücklich auf, medizinische Befunde Nawalnys vorzulegen. Zudem war deutsche Botschafter Géza Andreas von Geyr am 8. September in das russische Außenministerium einbestellt worden.

So der aktuelle Stand der Dinge.

Im Zusammenhang mit dem Fall Nawalny, Nowitschok und Nord Stream 2 hat Jürgen Todenhöfer diese sieben (bislang unbeantwortete) Fragen auf seiner Facebook-Seite gepostet:

"Liebe Freunde, der Mordversuch an Nawalny ist ein unentschuldbares Verbrechen. Die Forderung nach Aufklärung ist daher berechtigt. Auch ich protestiere und fordere Aufklärung. Echte Aufklärung, keine Vorverurteilungen.

1. Wenn Putin Nawalny töten wollte, warum erlaubte er dann ausdrücklich, dass Nawalny zur medizinischen Rettung nach Deutschland ausgeflogen wurde?

2. Warum sollte Putin für "geheime" Ermordungen seltsamerweise immer wieder das gleiche Gift einsetzen, das immer sofort mit Russland in Verbindung gebracht wird?

3. Warum wird bei uns immer der Eindruck erweckt, nur Russland verfüge über den Kampfstoff Nowitschok, obwohl der Mitentwickler dieses Giftes inzwischen in den USA lebt und - laut Financial Times - sogar Ex-Wirecard-Boss Marsalek im Besitz der Rezept-Formel war und diese 2018 stolz in London herumzeigte?

4. Warum werden die Forderungen, man müsste jetzt das Nord Stream 2-Projekt mit Russland beenden immer lauter, obwohl es noch keinerlei Klarheit im Fall Nawalny gibt? Hat Deutschland den Nord Stream-Deal nicht auch im deutschen Interesse abgeschlossen? Das war doch kein Geschenk an Russland. Bestrafen wir uns demnächst selbst?

5. Soll Deutschland jetzt wirklich auch noch auf russisches Erdgas verzichten, nachdem es 2023 als einziges Land der Welt gleichzeitig aus Atom und Kohle aussteigen wird? Um stattdessen amerikanisches Fracking zu kaufen? Nach dem Motto: Lieber noch mehr Umweltzerstörung, als Gas aus Russland?

6. Was ist mit unseren moralischen Prinzipien, wenn es um unseren Pkw-Sprit geht? Der saudische Knochensägenmord an Khashoggi hat uns nicht dran gehindert, weiterhin Energiegeschäfte mit den Saudis zu machen. Nawalny lebt, Khashoggi ist tot. Zerstückelt, irgendwo verscharrt. Moral?

7. Warum protestiert die Bundesregierung nie, wenn US-Präsidenten (persönlich) fast regelmäßig in Somalia, Jemen usw. Zivilpersonen durch Drohnen hinrichten lassen? Mitsamt Familien und Kindern. Ohne Gerichtsurteil. Sind über Ramstein gesteuerte US-Morde gute Morde?

Wenn es um Russland geht, ist die deutsche Politik ein aufgeregt gackernder Hühnerhaufen. So löst die Bundesregierung kein Problem.

Euer JT"


Der Beitrag muss nicht unbedingt die Meinung der Redaktion widerspiegeln.

Titelbild: Christoph Soeder/dpa

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