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USA nicht mehr "einzige Supermacht": Neue Töne aus dem deutschen Polit-Establishment oder nur politisches Manöver?

Von Alexander Männer

Die anhaltende Coronavirus-Krise und die brisante Weltlage haben in der deutschen Politszene offenbar zu weitreichenden Folgen bei der Außenpolitik-Debatte geführt. In einem kürzlichen Interview mit der Deutschen Welle zum 30. Jahrestag der Wiedervereinigung stellte der Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble den alleinigen Weltmachtstatus der USA in Frage und benannte neue Vorgaben bei der globalen Rolle Deutschlands und der Europäischen Union. Seine Haltung entspricht zudem im Wesentlichen einer aktuellen Forschungsstudie, laut der sich die meisten Deutschen deutlich mehr Engagement von der Bundesrepublik auf der Weltbühne erhoffen. Hat in den höchsten politischen Kreisen der Bundespolitik womöglich ein Umdenken bei Fragen der internationalen Beziehungen stattgefunden?

Nach dem Ende des Kalten Krieges und dem Zerfall der Sowjetunion Anfang der 1990er Jahre beanspruchen die Vereinigten Staaten für sich den alleinigen Status als einzig verbliebene Supermacht. Welche Außenpolitik Washington seitdem umzusetzen versucht, wird unter anderem in dem Buch "Die einzige Weltmacht: Amerikas Strategie der Vorherrschaft" des ehemaligen US-Außenministers Zbigniew Brzezinski erläutert, das quasi als Anleitung für US-Administrationen bei der Sicherung des hegemonialen Status gilt. Die Hauptthese: Die USA müssen ihre Stellung als einzige Supermacht auch im 21. Jahrhundert durch entsprechende außenpolitische Strategien verteidigen.

Diesen Plänen Amerikas hatte allerdings der Aufstieg solcher Staaten wie China, Russland und Indien scheinbar ein Ende gesetzt und einen Übergang von einer unipolaren Weltordnung hin zum Multilateralismus angestoßen.

Neue außenpolitische Zielsetzung für EU und Deutschland

Auch Wolfgang Schäuble hält die USA offenbar nicht mehr für die einzige Weltmacht. Der Bundestagspräsident teilte Vorfeld des Tages der Deutschen Einheit in einem Exklusivinterview mit der Deutschen Welle mit, dass die Welt 30 Jahre nach der Wiedervereinigung zwar "vielfältiger", jedoch nicht  sicherer geworden sei. "Es gibt auch nicht mehr die eine Weltführungs- und Ordnungsmacht. Eine zeitlang schienen die Vereinigten Staaten von Amerika fast die einzige verbliebene Supermacht zu sein", so Schäuble.

In diesem Zusammenhang müsse Europa mehr Verantwortung für die eigene Sicherheit übernehmen. Es gehe auch darum, sich im wirtschaftlichen, politischen und militärischen Bereich zu beweisen, um im Dialog mit Russland, China und den Vereinigten Staaten mehr Gewicht auf der Weltbühne zu haben. Und Deutschland solle bei diesem Prozess eine zentrale Rolle spielen.
 
Dabei solle Berlin seine Beziehungen zu Moskau und Peking dem CDU-Politiker zufolge überdenken: "Als Putin an die Macht kam, hat er eine Politik verfolgt, die gewissermaßen die aus seiner Sicht empfundene Demütigung der Sowjetunion ein Stück weit reparieren will und er hat versucht, es auf seine Art zu tun. Deswegen hat er nicht Recht, was die Krim anbetrifft. Aber wir brauchen eine bessere, fairere Kooperation mit Russland. Das haben vielleicht in Amerika in den entscheidenden Jahren auch nicht alle richtig begriffen und gemacht. Wir müssen versuchen, mit Russland in vollem Respekt für den Anspruch und die Geschichte Russlands zu einer besseren Kooperation zu kommen - übrigens auch mit China."
 
Deutsche Außenpolitik den Anforderungen nicht gerecht

Interessant ist, dass die Aussagen des Bundestagspräsidenten sich im Grunde mit einem aktuellen Bericht der Münchner Sicherheitskonferenz zur Lage der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik decken, in dem erhebliche Defizite bei der deutschen Außenpolitik beklagt werden.

Im Rahmen dieses Berichts hatte das Meinungsforschungsinstituts Forsa zuvor eine Umfrage durchgeführt, laut der sich die meisten Deutschen mehr Engagement von der Bundesregierung gegenüber den Großmächten erwarten. So gaben 69 Prozent der Befragten an, Deutschland sei gegenüber den Vereinigten Staaten bei der Durchsetzung seiner Interessen zu zurückhaltend. Gegenüber China sehen das 61 Prozent so, gegenüber Russland 44 Prozent.

Die Autoren des Berichts kritisieren, dass die Bundesrepublik "nicht nur hinter den Erwartungen" zurückliege, "die die wichtigsten Partner an Deutschland herantragen". Es werde  auch den Anforderungen, die aus der Weltlage resultieren, nur ungenügend gerecht. In diesem Zusammenhang wird die relative Schwächung der Machtposition Washingtons betont: "Die USA sind heute weniger in der Lage, Garant der internationalen Ordnung zu sein, und weniger bereit, überproportionale Beiträge zu leisten", heißt es.

Demnach könne sich Berlin, "inmitten einer weltpolitischen Zeitenwende, in der sich außenpolitische Gewissheiten der Bundesrepublik auflösen, auf denen die deutsche Außenpolitik über Jahrzehnte beruhte", entschlossener für die Interessen Deutschlands und Europas einsetzen. Andernfalls laufe die EU Gefahr, sich in ein "Anhängsel Eurasiens" zu verwandeln, das von anderen Mächten dominiert werde, so der Bericht.
 
Fazit
 
Es stellt sich die Frage, ob die Haltung des Bundestagspräsidenten Schäuble tatsächlich einen deutlichen Einschnitt in der deutschen Außenpolitik markiert, oder ob die Aussagen des Politikers lediglich der gegenwärtigen Stimmung in der deutschen Bevölkerung entsprechen sollen? Wenn das Interview kein politisches Manöver war und bei der Arbeit des Außenamtes wirkliche Veränderungen erreichen werden sollen,  dann müssen den Worten auch Taten folgen. Im Wesentlichen muss die politische Führung der Bundesrepublik - gemäß den Interessen der Bundesbürger und im Einklang mit der tatsächlichen Weltlage - eine souveräne aussenpolitische Strategie fassen und klar Stellung auf der internationalen Bühne beziehen. Bislang hatte das demokratische Deutschland jedoch keine eigenständige außenpolitische Strategie verfolgt und es fehlt auch nach wie vor eine entsprechende Herangehensweise für die Umsetzung eines solchen außenpolitischen Konzepts.

Der Beitrag muss nicht unbedingt die Meinung der Redaktion widerspiegeln.

Titelbild: Sebastian Willnow/dpa

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