Von Lucas Leiroz
Im Zuge des anhaltenden Rückgangs des US-Dollars als Weltwährung ist vor Kurzem ein neuer Rekord erreicht worden. Der Euro hatte den Dollar im Oktober erstmals seit sieben Jahren als die für internationale Zahlungen bevorzugte Währung verdrängt. Beeindruckend war zugleich die positive Währungsentwicklung des britischen Pfunds und des japanischen Yen als alternative globale Zahlungssysteme, was auf eine noch stärkere Abkehr von dem US-Dollar hindeutet. Ihm hatte man bisher die absolute Vorrangstellung eingeräumt.
Laut dem Nachrichtenübermittlungssystem SWIFT wurden im vergangenen Monat mehr als 37,82 Prozent der Zahlungen in Euro getätigt, was einer Zunahme von mehr als sechs Prozentpunkten seit dem Ende letzten Jahres entspricht. Der Dollar-Zahlungsverkehr hingegen hat sich seit dem Dezember 2019 um etwa 4,6 Prozentpunkte verringert und betrug im Oktober 37,64 Prozent.
Mehrere Faktoren haben Einfluss auf das jüngste Phänomen des Dollar-Rückgangs. Dieser Rückgang tritt inmitten von Ereignissen wie etwa der Weltwirtschaftskrise ein, die durch die Corona-Pandemie, die problematischen US-Wahlen und den Handelskrieg zwischen Washington und Peking herbeigeführt wurde. Diese Aspekte tragen zu einer größeren Instabilität des Dollarsystems und damit zu seiner Ablehnung bei. Was die Befürworter eines solchen Systems jedoch beunruhigt, ist die Tatsache, dass keiner dieser Faktoren eine vorhersehbare Problemlösung in naher Zukunft liefern wird, was auf einen möglichen verstärkten Dollar-Rückgang in den kommenden Monaten oder Jahren hindeutet.
Bloomberg zufolge hat sich der Dollar seit seinem Höchststand im März um mehr als elf Prozent abgeschwächt. Experten gehen davon aus, dass die Bewertung der US-Währung in den kommenden Monaten noch schlechter ausfallen könnte, falls die Impfmittel gegen das neuartige Coronavirus ab 2021 allgemein verfügbar sein würden. Vor allem wenn man bedenkt, dass Anleger von US-Anlagen auf internationale Vermögenswerte umsteigen können, wenn sie im Zuge des Vertriebs von Impfstoffen ein größeres wirtschaftliches Potential in der übrigen Welt erkennen. Die Fortschritte bei der Impfstoffforschung und die guten Testergebnisse behindern tendenziell daher weiter die Dollar-Abwicklungen und begünstigen Finanztransaktionen in anderen Währungen, bremsen aber eine dauerhaftes Streben nach finanzieller Sicherheit.
Parallel zu diesen Entwicklungen wurde der Yuan in jüngster Zeit zu einer sehr attraktiven Anlage für globale Investoren, die auf der Suche nach Stabilität und Profit sind. Zu verdanken ist das staatlichen Schuldverschreibungen in US-Dollar, Yen und Euro, die – unter der Berücksichtigung von Zinssätzen oder Wechselkursen – nur geringe, wenn nicht sogar negative Rendite bieten. Fünfjährige chinesische Staatsobligationen hingegen werfen weiterhin eine jährliche Rendite von mehr als drei Prozent ab, während US-Staatspapiere mit derselben Laufzeit nur 0,4 Prozent ermöglichen. Darüber hinaus hat Chinas rasche wirtschaftliche Erholung nach dem Ausbruch des Coronavirus dazu beigetragen, dass der Yuan einen großen Vorteil gegenüber dem US-Dollar hat. Experten gehen davon aus, dass mehr als 40 Prozent der ausstehenden chinesischen Auslandsschulden bis zum Ende dieses Jahres auf den Yuan lauten werden.
Es ist wichtig zu betonen, dass die US-Währung laut dem Juli-Bericht der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich gegenwärtig die wichtigste Finanzierungswährung der Welt bleibt, da etwa die Hälfte aller internationalen Kredite und Schuldverschreibungen auf US-Dollar lauten. 85 Prozent aller Devisengeschäfte werden derzeit in Dollar abgewickelt. Daher deuten die aktuellen Zahlen, obwohl sehr aussagekräftig, nicht auf eine abrupte Abkehr oder ein "Ende der Dollar-Ära" in die kommenden Monaten hin. Was wir erleben, ist der Beginn eines langen Prozesses des Niedergangs, der je nach der Entwicklung der Faktoren, die zu einem solchen Rückgang geführt haben, umgekehrt werden kann oder nicht.
In der Tat durchläuft das seit Jahrzehnten von dem Dollar kontrollierte Weltwährungssystem strukturelle und tiefgreifende Veränderungen. Der Aufstieg des Yuans innerhalb der internationalen Handels- und Investitionsströme zeigt, dass die chinesische Währung bereits "Merkmale einer globalen Währung" aufweist und über die notwendigen Voraussetzungen verfügt, um die Hegemonie des Dollars in Frage zu stellen. Aber das zukünftige Szenario scheint nicht von einer neuen hegemonialen Währung zu handeln.
So lag der Yuan im Oktober, trotz seines Wachstums, bei internationalen Transaktionen hinter dem kanadischen Dollar. Und es war der Euro, der im selben Monat bei den Abwicklungen zur Top-Währung aufstieg. In letzter Zeit haben zudem mehrere andere Währungen in dem Geschäftsfeld zugelegt, so wie der japanische Yen und der britische Pfund. Am Ende erleben wir nicht die Ablösung der US-amerikanischen monetären Hegemonie durch eine chinesische, sondern die Entstehung einer größeren monetären Multipolarität, bei der mehr Landeswährungen um die vorderen Plätze im globalen Geschäft konkurrieren, ohne dass dabei ein neuer weltweiter Maßstab entsteht. Das Erbe des Dollars wird noch lange nicht überwunden sein und seine Vormachtstellung wird noch einige Zeit lang bestehen bleiben. Im weiteren Verlauf dieser Entwicklung werden jedoch mehr Währungen die eigene Position in einer diversifizierten Weltwirtschaft ausbauen können, die für Investoren mehr Alternativen bietet.
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Titelbild: © Aleksej Paschiljak/TASS
Dieser Artikel erschien ursprünglich im englischen Original auf InfoBrics.org und wird von der Redaktion übersetzt wiedergegeben.
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