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Die Türkei will Weltraummacht werden

Von Lucas Leiroz

Die Beherrschung der Weltraumtechnologie ist für alle Nationen zu einem wesentlichen Aspekt der eigenen Souveränität geworden. In diesem Sinne zählt der unabhängige Zugang zum Weltraum unter der Regierung von Recep Tayyip Erdogan seit Kurzem zu den nationalen Prioritäten der Türkei. Allerdings kann kein Land den Status einer Weltraummacht erlangen, ohne auf die internationale Zusammenarbeit umfassend zurückzugreifen, da die großen Mächte diesen Sektor seit Jahrzehnten dominieren. In Anbetracht dessen sucht Ankara Kooperationsprojekte. Der Leiter der türkischen Raumfahrtagentur, Serdar Hüseyin Yildirim, ein großer Verfechter des türkischen Raumfahrtprogramms, enthüllte einige der aktuellen Pläne der Behörde sowie ihre Ambitionen und Kooperationsprojekte.

Im vergangenen November hatte Roketsan, ein großes staatliches Verteidigungs- und Sicherheitsunternehmen der Türkei, seinen Erfolg bei dem Start einer Rakete in der Schwarzmeerprovinz Sinop bekannt gegeben. Erdogan verkündete diesbezüglich, dass sein Land damit der "Weltraumliga" beigetreten sei. Mit dieser Gruppe meinte Erdogan offenbar die großen Weltraummächte. Türkischen Staatsmedien zufolge hatte Roketsan vor fünf Jahren von der Regierung die Aufgabe erhalten, ein türkisches Raumfahrtprogramm ins Leben zu rufen. Das Land hatte 2018 seine erste Weltraumrakete gestartet, seitdem machte es große Fortschritte bei dieser Technologie. Die türkische Weltraumbehörde wurde offiziell im Dezember 2020 gegründet, um das besagte Raumfahrtprogramm endgültig zu konsolidieren. Die Türkei beabsichtigt bis 2030 alles Notwendige zu unternehmen, um eine Weltraummacht zu werden.

Bislang wurden nicht viele Details darüber offen gelegt, wie die Arbeit der Weltraumbehörde aussehen wird oder ob es einen Zeitplan für die Aktivitäten gibt. Yildirim enthüllte in einer Stellungnahme jedoch einige Pläne der Behörde. Ihm zufolge ist das türkische Weltraumprogramm komplex und detailliert und umfasst die  entsprechenden Ziele und Mittel, um diesen Eigenschaften gerecht zu werden. Die Agentur arbeitet demnach bereits mit einer großen Anzahl von Organisationen zusammen und es sollen noch weitere hinzukommen. Derzeit verfolgt die Weltraumagentur 30 verschiedene Projekte, die laut Yildirim ein hohes Maß an Seriosität aufweisen und den Umfang des türkischen Vorhabens offenbaren. Am meisten verwundert aber, dass Yildirims mit seinen Äußerungen die Absichten der Türken zum Aufbau internationaler Kooperationsbeziehungen in dieser  Branche offenlegt.

Den Angaben nach soll  die Türkei außerdem bereits mit etwa 20 Ländern in Verbindung stehen, um gemeinsame Einsätze zu entwickeln. Die Länder, mit denen Ankara regelmäßig kontaktiert, haben unterschiedliche ideologische und geopolitische Ausrichtungen, wie unter anderem die Ukraine, Ungarn, Kasachstan, Russland, Japan, China und Aserbaidschan. Mit einigen dieser Staaten wurden bereits Abkommen unterzeichnet, mit anderen befindet sich die Türkei noch in der Verhandlungsphase und versucht, die gegenseitigen Interessen auszuloten.

Allem Anschein nach investiert die türkische Führung in den Weltraumsektor und das frei von ideologischer Grundhaltung. Die Türkei will von sich das Bild eines Landes mit absolut unpolitischen wissenschaftlichen Interessen präsentieren, was sicherlich nicht der Wahrheit entspricht. Die Eroberung des Weltraums ist für die Türken keine Option, sondern ein obligatorischer und entscheidender Schritt in Erdogans neo-osmanischer Strategie. Jedes Land, das sich als Regional- oder Weltmacht behaupten möchte, muss über eine solide Weltraumtechnologie und angemessene strategische Planung verfügen, um bedeutsame Missionen im Weltraum durchführen zu können. Der gesamte zivilisatorische Prozess in der heutigen Welt, von seinen elementarsten bis zu den anspruchsvollsten Diensten, hängt in gewisser Weise von der Weltraumtechnologie ab. Die Türkei gilt in diesem Sektor in der Tat als rückständig und muss jetzt alles investieren, um zu modernisieren und die verlorene Zeit wieder aufzuholen. Ohne dies mit eigener Kraft tun zu können, versucht Ankara gewissermaßen Allianzen zu schließen, die der Türkei helfen, diese Entwicklung zu beschleunigen, und Erdogan kann es dabei hinbekommen, den geopolitischen oder ideologischen Wettstreit beizulegen.

In Anbetracht der Tatsache, dass der Weltraum als ein neutrales internationales Territorium gilt, kann die internationale Gemeinschaft für die Türkei von großem Nutzen sein, wenn Ankara einen öffentlichen Diskurs über eine "unpolitische wissenschaftliche Kooperation" aufrechterhalten sollte. Wenn man jedoch die bilaterale Zusammenarbeit betrachtet, werden viele Schwierigkeiten deutlich. Beispielsweise besuchte der russische Botschafter in der Türkei, Alexej Erkhow, kürzlich das Hauptquartier der türkischen Weltraumorganisation, um Gespräche über ein mögliches Kooperationsabkommen aufzunehmen. Trotz des unbestreitbaren gegenseitigen Nutzens wird Moskau bei der Beurteilung des Angebots auf jeden Fall berücksichtigen, dass die türkische Führung offen die Möglichkeit der militärischen Nutzung der Weltraumtechnologie in Betracht zieht. Es stellt sich die Frage, ob Russland der Türkei helfen wird, an Stärke im Militärbereich zu gewinnen, obwohl es zwischen den beiden Ländern in letzter Zeit mehrfach zu Spannungen gekommen war? Es ist sogar wahrscheinlich, dass Moskau aus diplomatischen Gründen in irgendeiner Weise mit Ankara zusammenarbeiten wird, aber es wird vermutlich eine äußerst begrenzte Zusammenarbeit sein, ohne bedeutende Resultate.

Abgesehen von den Gesprächen mit Russland bemüht sich die Türkei ebenfalls um einen Dialog mit Kasachstan, mit dem bereits ein bilaterales Abkommen unterzeichnet wurde. Als ein Land mit viel bescheideneren geopolitischen Ansprüchen als Russland mag Kasachstan ein effizienterer Verbündeter sein, genau genommen aber verfügen die Russen in der Praxis über die kasachische Weltraumtechnologie. Daher wird entweder eine trilaterale Kooperation etabliert oder die Erfolge der Türkei werden unzureichend sein – was das wahrscheinlichste Szenario ist.

In Wirklichkeit gibt es auf der internationalen Bühne keine unpolitische wissenschaftliche Zusammenarbeit.

Der Beitrag muss nicht unbedingt die Meinung der Redaktion widerspiegeln.

Titelbild: © NASA/ZUMA Wire/ZUMAPRESS.com

Dieser Artikel erschien ursprünglich im englischen Original auf InfoBrics.org und wird von der Redaktion übersetzt wiedergegeben.

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