Von Lucas Leiroz
Die Militarisierung Schwedens wird immer weiter vorangetrieben. Das skandinavische Land möchte sein militärisches Potenzial um jeden Preis wiederherstellen und hat daher kürzlich ein großes Wiederaufrüstungsprogramm genehmigt, weshalb der schwedische Verteidigungshaushalt in den kommenden Jahren drastisch erhöht wird. Zur Begründung für diese Maßnahmen erklärte Schwedens Verteidigungsminister Peter Hultqvist, dass das Vorhaben auf mögliche Bedrohungen für das Land zurückzuführen sei, ohne dabei zu erläutern, welche Bedrohungen das sein könnten.
Die Sicherheitslage in Schweden sowie in ganz Europa hat sich in letzter Zeit in der Tat stark verschlechtert. Illegale Einwanderung, die Infiltration der Flüchtlingsströme durch Terroristen, die pandemiebedingte wirtschaftliche Instabilität im Inneren und die dadurch wachsenden sozialen Spannungen, und Europas jüngste Abkehr von dem US-Schutzschirm sind die Ursachen, die Zweifel aufkommen lassen an der zukünftigen Sicherheit auf dem gesamten Kontinent. In den militärisch schwächeren Ländern ist diese Angst noch größer, was Schwedens Sicherheits- und Verteidigungsexperten dazu veranlasste, mehr Investitionen des Staates für diese Bereiche zu fordern.
Das neue schwedische (Militär-)Projekt sieht unter anderem vor, dass der Verteidigungshaushalt des Landes in den nächsten fünf Jahren von 3,44 Milliarden US-Dollar auf 10,57 Milliarden Dollar anwachsen wird. Das neue Budget soll alle Bereiche der Verteidigung abdecken, einschließlich der Verbesserungen in der Militärindustrie und bei den Personalabteilungen. Obwohl dieser neue Verteidigungshaushalt angesichts der Investitionen der wichtigsten Militärmächte in deren Verteidigung noch gering ist, stellt in Bezug auf Schweden eine erhebliche Militarisierung dar – einem Land, das seit Jahrzehnten von einer institutionalisierten pazifistischen Ideologie geprägt ist.
Diese pazifistische Ideologie hatte lange Zeit die Fähigkeit schwedischer Strategen beeinflusst, Szenarien zu analysieren und zu prognostizieren. Bis vor kurzem war so etwas wie die Möglichkeit einer Invasion des schwedischen Territoriums als völlig unrealistisch angesehen worden und ein entsprechendes Szenario wurde von prominenten Experten überhaupt nicht berücksichtigt. Nun wird dieses Szenario allerdings nicht nur als möglich betrachtet, sondern man versucht es auch als eine bevorstehende Theorie zu behandeln und sogleich Bedingungen zu schaffen, um sich dieser möglichen zukünftigen Gefahr zu stellen.
In seiner jüngsten Erklärung zum neuen Haushalt betonte der Verteidigungsminister, dass die schwedische Regierung von einer sich in den kommenden Jahren weiter verschlechternden Sicherheitslage ausgehe. Diese realistische Annahme scheint eine hervorragende Richtlinie für die Verteidigungs- und Sicherheitspolitik eines jedes Landes zu sein. Obwohl die Gefahren unerheblich erscheinen mögen, ist die Vorbereitung auf Krisenereignisse stets notwendig. Aber ungeachtet seines Wirklichkeitssinns liegt der Minister falsch, wenn er von seinen möglichen Feinde spricht. Hultqvist benannte Russland als möglichen Gegner Schwedens in einem militärischen Konflikt, was unwesentliche diplomatische Spannungen zwischen den Ländern zur Folge hatte.
Als Reaktion auf Schwedens Gesetzesinitiative hate die russische Außenamtssprecherin Maria Zakharova erklärt, dass "antirussische Phobien" das Ergebnis von externem Druck auf Stockholm, insbesondere seitens der NATO, seien. Es ist wichtig anzumerken, dass das nordische Königreich regelmäßig Übungen mit seinen NATO-Partnern durchführt, einschließlich den Manövern in Osteuropa entlang der westlichen Grenze Russlands. Schweden ist materiell nicht dazu in der Lage, sich Russland gegenüber zu stellen, hält sich jedoch an die Pläne des Westens, nur um im Falle eines zukünftigen Konflikts den Schutz der NATO sicherzustellen, falls das Land in ein Kreuzfeuer zwischen den Russen und Europäern geraten sollte. Und trotzdem, ist es für Schweden im gegenwärtigen Kontext immer noch vorteilhaft, sich an die Strategie des nordatlantischen Militärbündnisses zu halten?
Die NATO ist zwar ein Bündnis aus Ländern aus der ganzen Welt, dient als Organisation aber ausschließlich den Interessen Washingtons. Und wie man sieht, sind Washingtons Interessen derzeit absolut unklar. Joe Bidens Wahl war eine Zeitlang ungewiss, da Trump weiterhin die Anerkennung verweigerte, und dies hätte für 2021 ein Szenario von zwei "selbsternannten Präsidenten" zur Folge haben können. Wie kann sich eine gefestigte Nation mit einer klar definierten Position den Plänen eines Landes wie den Vereinigten Staaten unterwerfen, die sich in einem Zustand der sozialen Katastrophe und des totalen politischen Chaos befinden? Andere Verbündete Washingtons wie Deutschland, Frankreich und Japan haben bereits den Widerspruch festgestellt zwischen der Gehorsamkeit in Bezug auf die amerikanischen Konzepte und der Suche nach umfassenderer Souveränität. Das zweite ist sicherlich der richtige Weg für Schweden.
Allerdings ist Schweden bezüglich den Plänen der NATO eventuell nicht so unterwürfig, wie es scheint, und Stockholm verfolgt bereits seine eigene Interessen. Mit Trump wurde die Rolle der USA als globaler Polizist vermindert, was Biden wieder rückgängig machen will. Dies bedeutet, dass Biden auch versuchen wird, seinen europäischen Verbündeten mehr "Schutz" zu bieten, was Trump nicht konnte. Obwohl das Szenario immer noch chaotisch ist, ist Biden der gewählte Präsident und sicherlich wird er sein Land regieren. Wird Schweden angesichts dessen seinen Militarisierungsprozess verzögern oder weiter beschleunigen? Wenn sich der Prozess verzögert, wird Schweden bestimmt die Position einer gehorsamen Nation einnehmen, die keine eigenen Interessen hat und sich nur deshalb militarisieren wollte, weil sie den Schutz des Westens verloren hatte. Wenn das Land jedoch sein Kriegspotential weiter erhöht, wird es eine neue Richtung, eine umfassendere Souveränität, suchen.
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Titelbild (Archiv): © Allied Joint Force Command Naples/Mats Nyström/Försvarsmakten
Dieser Artikel erschien ursprünglich im englischen Original auf InfoBrics.org und wird von der Redaktion übersetzt wiedergegeben.
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