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Angst und Politik in der Pandemie

Von Maurizio Bach

Die Corona-Krise hat ein gesellschaftliches Klima der Angst geschaffen, wie seit Kriegszeiten nicht mehr. Angst ist hochgradig wirksam, wenn es darum geht, bei ernsthaften Gefahren für die Gesellschaft Normenkonformität in der Bevölkerung zu erzielen und einschneidende Verhaltensänderungen zu bewirken. In der unübersichtlichen Lage zu Beginn der Pandemie gab es wohl keine Alternative dazu, saß doch auch den Regierenden der Schreck nach dem plötzlichen Auftreten des neuen Virus – und den Fernsehbildern aus Italien – in den Knochen. Mittlerweile sind die sozialen und politischen Verwerfungen einer pandemischen Angstpolitik allerdings mit Händen zu greifen. Deshalb ist es überfällig, über Alternativen zum „Regieren durch Angst“ nachzudenken. Denn Angst ist ein zweischneidiges Schwert: Sie kann sich leicht eigendynamisch verstärken und ungewollt verselbständigen. In der Sphäre der Politik wird die Angst zudem gerne als Ressource für Machtspiele aufgerufen. Die soziale Eigengesetzlichkeit der Angst zusammen mit ihrer politischen Indienstnahme kann schließlich in einem sozio-politischen Systemwechsel münden, der die Demokratie beschädigen und die politische Moral untergraben könnte.

Angst und Compliance

Furcht und Angst entstehen durch die Wahrnehmung einer realen oder fiktiven Gefahr, die die Sicherheit oder das Wohlergehen der Individuen oder eines Kollektivs bedroht. Diffuse, entfesselte, irrationale Angst ist seit jeher eine unverzichtbare Quelle von Macht und Herrschaft. Sie ist für politische, vor allem staatliche Zwecke bestens einsetzbar, weil sie als eines der stärksten Motive der Fügsamkeit wirkt. Wer Angst hat, sucht Schutz bei Stärkeren und unterwirft sich deren Autorität. Furcht vor wirtschaftlicher Ausbeutung, Armut oder Einkommenseinbußen ließ politische Assoziationen, wie Gewerkschaften und sozialistische Parteien entstehen. Ängste vor sozialem Abstieg und Prestigeverlust, typischerweise des Mittelstandes, gaben nationalistische Bewegungen, wie dem Nationalsozialismus mächtigen Auftrieb. Ängste vor kollektivem Identitäts- und Prestigeverlust, vor Verletzung des Nationalstolzes und Geltungsverlust des eigenen Staates, leisten vielfach einem Aufstieg von antisemitischen, chauvinistischen und fremdenfeindlichen Bewegungen Vorschub. Hinzu kommen „Überfremdungsängste“, Angst vor Strafe, Angst vor Not und Sinnverlust, Angst vor Konkurrenz – solche Bedrohungsszenarien lassen sich bestens für die politische Machtbildung und Verhaltenssteuerung ausnutzen.

In der Corona-Krise erweisen sich die Erzeugung und Aufrechterhaltung eines relativ hohen gesellschaftlichen Gefahren- und Angstniveaus von Anfang als zentrale Steuerungselemente der Pandemiepolitik. Die Furcht vor Gesundheitsgefahren wurde durch ein dramatisierendes und angsterzeugendes Regierungshandeln wenn nicht verursacht, so doch mindestens verstärkt. Mit dem Schutz von Leben und Gesundheit der Bevölkerung als zentraler Leitidee der Pandemiepolitik wurde eine biologisch-existenzielle Grundbedingtheit menschlicher Existenz als letztentscheidendes Kriterium politischen Handelns definiert. Das mündet in eine verhängnisvolle Paradoxie: Ein prinzipiell apolitisches Element der human condition, über das, wenn überhaupt, nur in ethischen Kategorien befunden werden kann, erfährt eine verhängnisvolle Politisierung, indem es zum Fluchtpunkt staatlichen Regierungshandelns gemacht wird. Damit bürdet sich die Exekutive eine Entscheidungslast in einer ethischen Kardinalfrage auf, die sie angesichts der funktionalen Komplexität und sich vielfach kreuzender Wertbeziehungen spätmoderner Gesellschaften überfordern muss. Soll dann politische Führungskraft bewiesen werden, muss im Zweifelsfalle die öffentliche Debatte unterbrochen und die Angst vor dem Tod als Hintergrundsmelodie angestimmt werden. An die Stelle von Meinungsaustausch, Interessenvermittlung und Kompromissfindung, den Grundmechanismen liberalen Demokratien, tritt dann das Postulat der fundamentalen Alternativlosigkeit, was die von Regierungsseite getroffenen Entscheidungen betrifft, sowie massiver Konformitätsdruck. Damit ist der Weg in einen autoritären Politikstil vorgezeichnet, und an die Stelle rationaler Diskurse tritt die irrationale Angst als zentrales Steuerungsmedium der Politik.

Dabei stand am Anfang der Pandemie nicht einmal die Furcht der Leute vor einer Ansteckung mit dem neuen Virus im Zentrum. Zur Verbreitung der Angst trugen unter anderem Virologen und vermutlich sachlich überforderte, aber machtpolitisch agile Politiker, wesentlich bei. Das belegt ein Strategiepapier des Bundesinnenministeriums vom April 2020, in dem ganz unverblümt das Erzielen einer „Schockwirkung“ in der Bevölkerung angestrebt wurde. Dabei sollten unter anderem „Urängste“, wie die Angst vor dem Erstickungstod und vor der Ohnmacht der Angehörigen, geweckt werden. Das Gefahren- und Angstlevel in der Gesellschaft wird seitdem durch alarmierende Fernsehansprachen der Bundeskanzlerin, Verlautbarungen des RKI sowie apokalyptische Visionen nicht scheuende Talkshow-Experten auf einem hohen Niveau gehalten. Das funktioniert selbst dann, wenn in den Krankenhäusern nachweisbar mehr als die Hälfte der verfügbaren Intensivbetten nicht belegt und die Zahl der „an und mit“ Corona Verstorbenen deutlich rückläufig ist (Von den samt Notfallreserve in Deutschland verfügbaren ca. 40.000 Intensivbetten waren selbst am Gipfel der zweiten Pandemiewelle  zu keinem Zeitpunkt mehr als 20.000 Betten belegt, unabhängig von den behandelten COVID-19-Patienten).

Mag die Furcht vor einer Erkrankung in der Bevölkerung sich auch allmählich abschwächen, weil immer deutlicher wird, dass das Erkrankungs- und Sterberisiko hauptsächlich auf die Hochbetagten begrenzt bleibt, ist längst bei vielen ein weiteres Schreckensszenario hinzugetreten: der Lockdown und die damit verbundenen weiteren Verschärfungen der Maßnahmen. Kita- und Schulkinder, Eltern, Alleinerziehende, Einzelhändler, Gastronomen, Kulturschaffende so gut wie aller Sparten, Studierende und viele gesellschaftliche Gruppen mehr erleben die Lockdownzyklen mittlerweile als einen nicht enden wollenden Albtraum.

Den vollständigen Artikel können Sie hier nachlesen.

Der Beitrag muss nicht unbedingt die Meinung der Redaktion widerspiegeln.

Titelbild (Archiv): © imago images/MiS

Der Artikel „Angst und Politik in der Pandemie“ von Maurizio Bach ist ursprünglich am 28. März 2021 auf dem Portal „Verfassungsblog“ erschienen und wird unter der Lizenz Creative Commons BY-SA 4.0 veröffentlicht.

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