Von Tobias Tscherrig
Gemäss Informationen von „Airfinity“, einem Datenunternehmen, das Impfstofflieferungen verfolgt, lieferte Moderna einen noch grösseren Anteil seiner Impfdosen an wohlhabendere Länder, als jeder andere Impfstoffhersteller.
Das Verdikt der „New York Times“, die zuerst darüber berichtet hat, ist klar: Moderna halte aus Profitgier den Impfstoff in ärmeren Ländern zurück. „Moderna hat seine Impfungen fast ausschliesslich an wohlhabende Länder geliefert, dabei ärmere Länder warten lassen und Milliardengewinne erzielt.“
Reiche kommen zuerst
Wie „Airfinity“ aufzeigt, gingen insgesamt etwa eine Million Dosen des Moderna-Impfstoffes an Länder, die von der Weltbank als einkommensschwach eingestuft werden. Als Vergleich: Pfizer lieferte während der selben Zeitspanne 8,4 Millionen Dosen Impfstoffe an diese Länder, bei Johnson & Johnson waren es etwa 25 Millionen Einzeldosen.
Weiter haben die meisten Länder mit mittlerem Einkommen, die Vereinbarungen über den Kauf von Moderna-Impfstoffen unterzeichnet hatten, noch immer keine Dosen der Moderna-Impfungen erhalten. Mindestens drei dieser Länder hätten zudem mehr für die Impfdosen bezahlen müssen, als die Vereinigten Staaten oder die Europäische Union, so die „New York Times“, die sich auf die Aussagen von Vertretern der betroffenen Regierungen beruft.
Demnach hätten zum Beispiel Thailand und Kolumbien einen Preisaufschlag bezahlen müssen, Botswana habe seine Dosen zu spät erhalten. Tunesien habe sich dagegen gar nicht erst mit Moderna in Verbindung setzen können.
US-Regierung frustriert
Im Gegensatz zu Pfizer, Johnson & Johnson und AstraZeneca, die über eine Vielzahl von Arzneimitteln und anderen Produkten verfügen, vertreibt Moderna nur den Covid-Impfstoff. Die Zukunft des Unternehmens aus Massachusetts hängt deshalb vom kommerziellen Erfolg des Produkts ab. Moderna verhalte sich so, als ob sie keine andere Verantwortung hätten, als die Maximierung der Investitionsrendite, sagte Tom Frieden, ein ehemaliger Leiter der amerikanischen Gesundheitsbehörde „Centers for Disease Control and Prevention (CDC)“ gegenüber der „New York Times“.
Die Führungskräfte von Moderna sehen das anders. Man unternehme alles, um so viele Dosen wie möglich herzustellen. Die Kapazität der Produktion sei jedoch begrenzt. Alle Dosen, die Moderna in diesem Jahr produziere, würden für die Erfüllung bestehender Bestellungen von Regierungen, wie derjenigen der Europäischen Union, gebraucht.
Trotzdem sei die US-Regierung unter Präsident Joe Biden zunehmend frustriert, weil Moderna seinen Impfstoff nicht auch ärmeren Ländern zur Verfügung stelle, schreibt die „New York Times“ unter Berufung auf zwei nicht näher genannte „hochrangige Regierungsbeamte“, die die Kooperation von Moderna als «mangelhaft» bezeichnen. Die Verwaltung habe die Führungskräfte von Moderna gedrängt, die Produktion in den US-Werken zu erhöhen und die Technologie für Hersteller in Übersee zu lizenzieren, damit diese Dosen für ausländische Märkte herstellen könnten.
Die Kritik der US-Regierung kommt nicht von ungefähr: Der Moderna-Impfstoff ist mit wissenschaftlicher und finanzieller Unterstützung der US-Regierung entwickelt worden: Die Vereinigten Staaten steuerten 1,3 Milliarden Dollar für klinische Versuche und andere Forschungsarbeiten bei. Und im August 2020 erklärte sich die Regierung bereit, den Impfstoff im Wert von 1,5 Milliarden Dollar vorzubestellen, um Moderna einen Markt für das Produkt zu garantieren.
Moderna: „Traurig, das Impfstoff nicht mehr Menschen erreicht“
Den Vorwurf, Moderna gebe reichen Ländern bei der Verteilung des Impfstoffes den Vortritt, lässt das Unternehmen nicht auf sich sitzen. Von der „New York Times“ mit kritischen Fragen konfrontiert, kündigte Moderna an, man investiere zurzeit, um die Produktion zu erhöhen, damit im Jahr 2022 eine Milliarde Impfdosen an ärmere Länder geliefert werden können. Zusätzlich teilte das Unternehmen mit, man werde in Afrika eine Fabrik eröffnen – ohne dabei allerdings einen genauen Zeitpunkt zu nennen.
Zusätzlich würden zurzeit Verhandlungen mit der Regierung laufen, die kostengünstige Impfdosen aufkaufen soll, um sie dann an ärmere Länder zu spenden. Ein ähnliches Vorgehen, wie es bereits Pfizer zugesagt hat.
In einem Interview sagte der Vorstandsvorsitzende von Moderna, Stéphane Bancel, es sei «traurig» dass der Impfstoff seines Unternehmens nicht mehr Menschen in ärmeren Ländern erreicht habe, aber die Situation entziehe sich seiner Kontrolle. Moderna habe im vergangenen Jahr erfolglos versucht, die Regierungen dazu zu bewegen, Geld für die Ausweitung der knappen Produktionskapazitäten bereitzustellen. Moderna entscheide anhand von Faktoren wie der bestellten Menge und dem Wohlstand eines Landes über die Höhe der zu bezahlenden Gebühren.
Einkommensschwache Länder verlieren
Das vermag nicht darüber hinwegzutäuschen, dass einkommensschwache Länder bei der Verteilung des Impfstoffs gegen Covid-19 oft das Nachsehen haben – und dass die Verteilung kaum als gerecht bezeichnet werden kann. Während die westlichen Länder bereits vor einem Jahr damit begannen, ihre Bevölkerung zu impfen, hat sich der Schwerpunkt erst in den letzten Monaten auf den Impfstoffmangel in anderen Teilen der Welt verlagert.
Dutzende von ärmeren Ländern – vor allem in Afrika und im Nahen Osten – konnten bis am 30. September erst zehn Prozent ihrer Bevölkerung impfen. Deshalb gibt es auch Kritik von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und Akteurinnen und Akteuren des öffentlichen Gesundheitswesens. Zum Beispiel als bekannt wurde, dass in Südafrika hergestellte Impfstoffdosen von Johnson & Johnson in reichere Länder exportiert wurden – statt sie vor Ort zu verimpfen.
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Titelbild: Pixabay
Der Artikel „Moderna: Impfstoff für arme Länder praktisch unerreichbar“ von Tobias Tscherrig ist ursprünglich auf dem Portal „Infosperber.ch“ erschienen und wird unter der Lizenz Creative Commons BY-NC-ND 4.0 veröffentlicht.
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