Von Florian Rötzer
Vor einigen Tagen berichtete Bloomberg, dass die frühere Gazprom Germania, die von der Bundesnetzagentur treuhänderisch übernommen wurde und jetzt SEFE (Securing Energy for Europe) heißt, ihren Auftrag, die Gasversorgung für Deutschland und Europa zu sichern, zum Schaden anderer zu erfüllen scheint. So würden gegen eine relativ kleine Strafsumme aufgrund langfristiger Verträge vom indischen staatlichen Gaskonzern bestellte LNG-Lieferungen umgeleitet, um sie auf den lukrativeren Spot-Markt zu gegenwärtigen Höchstpreisen zu verkaufen.
Als Vertragsstrafe wird von der Singapur-Niederlassung von SEFE Marketing & Trading Ltd., frühert Gazprom Marketing & Trading Ltd., 20 Prozent der Vertragssumme bezahlt, was sich auf 4 Prozent des Preises am Spot-Markt beläuft. Das habe ein indisches Regierungsmitglied Bloomberg berichtet. Verwunderlich ist das Verhalten nicht auf einem kapitalistischen Markt weniger, auch wenn es sich um ein Staatsunternehmen handelt und man auch in Deutschland gerne Russland vorwirft, Verträge nicht zu einhalten.
Aber wenn es um den eigenen Gewinn oder Versorgung geht, zählen bei SEFE offenbar Verträge wenig. Und überdies ist es nur ein Beispiel für den „globalen Kampf um LNG“, der nach Le Monde jetzt beim Herannahen des Winters ausgebrochen ist und auf dem mit harten Bandagen gekämpft wird. Das Nachsehen dürften wieder einmal die ärmeren Staaten haben.
Seit Beginn des Krieges habe die EU die klimatisch schmutzigen LNG-Importe vor allem aus den USA um 60 Prozent erhöht. Im August lag der Anteil von LNG an den Gesamtimporten von Gas bei 35 Prozent. Transportiert wird LNG mit Tankern. Häufig würden diese jetzt auf dem Weg nach Asien nach Europa „umgeleitet“, schreibt Le Monde, womit der globale Kampf um LNG begonnen habe. Thierry Bros, Professor an der Sciences Po und Energieexperte, sagt, dass Europa nach der Fukushima-Katastrophe Flüssiggas nach Japan geschickt und stattdessen russisches Gas verwendet“ habe. Das drehe sich nun um: „Dass Europa seine Gasvorräte so schnell wieder auffüllen konnte, verdankt es dem LNG, das es aus Asien abgezweigt hat, und zwar zu einem hohen Preis, selbst auf die Gefahr hin, dass es in anderen Ländern wie Indien und Pakistan zu ‚Blackouts‘ kam.“
Abgesehen von Lettland, Ungarn, Rumänien und Österreich waren die unterirdischen Gastanks mit über 80 Prozent in der EU gut gefüllt. In Deutschland waren die Tanks bereits im September zu 88 Prozent gefüllt, auch weil weniger Gas verbraucht wurde. Nach einer Ministerverordnung von Ende Juli müssen sie am 1. November zu 90 Prozent gefüllt sein.
Kampf mit harten Bandagen
Seit 31. August fließt allerdings durch Nord Stream 1 kein Gas mehr – Russland gibt technische Gründe an. Wenn jetzt die Heizperiode beginnt, könnte die Gasversorgung im nächsten Jahr anders aussehen. Der jüngste Lagebericht der Bundesnetzagentur versucht allerdings zu beruhigen: „Die Lage ist angespannt und eine weitere Verschlechterung der Situation kann nicht ausgeschlossen werden. Die Gasversorgung in Deutschland ist im Moment aber stabil. Die Versorgungssicherheit in Deutschland ist derzeit weiter gewährleistet.“
Bislang exportiert auch China Erdgas, das aus Zentralasien und Russland aus langfristigen Verträgen kommt, weiter nach Europa. Damit ist China neben den USA einer der Hauptgewinner auf dem durch die Sanktionen gegen Russland Gasmarkt und den exorbitanten Preisen. Vermutet wird, dass China davon auch im Winter weiter profitieren will, indem weitere Kohlekraftwerke wieder in Betrieb genommen werden, um das Gas zu ersetzen.
Aber wie es mit den anderen asiatischen Ländern steht, ist eine andere Frage, zumal wenn das von ihnen auf der Basis von langfristigen Verträgen bestellte LNG nach Europa umgeleitet wird. Südkorea, Japan und Taiwan müssen vor dem Winter ihre Importe steigern. Australien, der größte Exporteur könnte zur heimischen Versorgung, die Exporte reduzieren und die gegenseitige Konkurrenz um Energiesicherheit verstärken. Japan importiert trotz der auch gegen Russland verhängten Sanktionen LNG aus Russland und beteiligt sich am russischen Sakhalin-2-LNG-Projekt. Im August über 200 Prozent mehr als 2021. Auch Südkorea kauft weiterhin Gas und Öl in Russland, mit dem es auch bei der Nukleartechnik zusammenarbeitet.
Auf jeden Fall wird durch die Konkurrenz auf dem Markt der Gaspreis hoch bleiben oder weiter steigen: „Es ist davon auszugehen, dass Europa aktiv sein und versuchen wird, das verfügbare Volumen abzuschöpfen“, sagt Toby Copson von Trident LNG, „aber die Sicherung ist nicht garantiert, wenn es staatliche Unterstützung und Initiativen gibt, wie wir sie aus Südkorea und Japan kennen. Wir werden also einen Bieterkrieg erleben, und währenddessen werden die Preise aufgrund der Konkurrenz aus Asien hoch bleiben.“ Die Gaspreise sind allerdings in letzter Zeit erst einmal wieder gesunken, bleiben aber hoch.
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Titelbild (Archiv): Eine mobile LNG-Tankstelle in Deutschland © Bernd Settnik/dpa
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