Von Florian Rötzer
Obgleich bislang hochfliegende Ballons keine große Unruhe erzeugt haben und das Pentagon erklärte, dass in vergangenen Jahren des öfteren Ballons über die USA geflogen seien, war es dieses Mal in den USA anders. Manche meinen, der Grund sei gewesen, dass der riesige chinesische Ballon auch mit den Augen über amerikanischem Territorium zu sehen war.
China behauptete, es sei ein Wettersatellit gewesen, der durch starke Winde vom Kurs abgekommen sei, Washington und das Pentagon sagten von Anfang an, es sei ein Spionagesatellit und daher eine schwerwiegende Verletzung der Souveränität der USA. Aber welche Mission der Ballon hätte haben sollen, ist unklar. Zumal ein weiterer chinesischer Ballon über Kolumbien und Venezuela gesichtet worden sein soll, der dann wohl kaum die USA oder strategische Stützpunkte ausgeforscht haben wird.
Jedenfalls wurde der Ballon nach einigen Tagen des Flugs vor der Küste von South Carolina von zwei F-22-Kampfflugzeugen verfolgt und mit einer Sidewinder-Rakete abgeschossen. Angeblich geschah das erst so spät, weil niemand auf dem Land gefährdet werden sollte, allerdings hätte es durchaus dünn besiedelte Gebiete geben können, um den Ballon mit seiner Last in der Größe von 2 oder 3 Autobussen abzuschießen. Überdies hätte man ihn wahrscheinlich abschießen können, bevor er von Kanada kommend über das Meer in US-Territorium eindrang. Aber man hatte immer auch betont, dass der Ballon, was die Spionage betrifft, kein Sicherheitsrisiko darstellen würde, zumal er nur bedingt manövrierbar ist und kaum gezielt zu einem Ort geschickt werden kann. Gleichwohl sagte Außenminister Blinken einen Besuch in China ab, der der Entspannung dienen sollte. Dort gab man allerdings auch kund, dass er angeblich nicht abgesprochen worden sei. Tenor: Nicht weiter schlimm.
Bemerkt worden war der Ballon schon eine Woche zuvor, als er am 28. Januar von den Aleuten kommend schließlich ab 30. Januar über Kanada geflogen war, bevor er Richtung USA drehte und dann auch über einen Stützpunkt in Montana mit Interkontinentalraketen in Abschusssilos gelangte. Präsident Joe Biden will zwar bereits am Mittwoch befohlen haben, dass der Ballon so schnell wie möglich abgeschossen werden müsse, aber möglicherweise zögerte man erst einmal, ein Präzedenz zu setzen, das auf die eigenen Spionage-Aktivitäten gegen China zurückschlagen könnte, oder es wurde ein politischer Zweck verfolgt, beispielsweise das Gefühl der Bedrohung durch das kommunistische China, das im Himmel über den Menschen lauert, zu verstärken.
Schon lange fürchtet Washington, dass China die Supermacht Washington wirtschaftlich und militärisch überflügeln könnte. Der Ukraine-Krieg hatte die Ausrichtung der Geopolitik auf den pazifisch-asiatischen Raum abgelenkt, auch wenn der Stellvertreterkrieg den Zweck haben dürfte, Russland als Partner von China und damit China selbst zu schwächen. Zwar gab es Tendenzen, den Konflikt zu entschärfen, aber Taiwan – für die USA als asiatisches Pendant zur Ukraine – war als künftiger Ort einer militärischen Konfrontation immer präsent, zumal Biden eben China gedroht hatte, die Insel nicht nur durch Waffenlieferungen, sondern im Ernstfall auch militärisch zu verteidigen.
Der Abschuss war nicht nur eine Machtdemonstration des Pentagon, sondern auch eine provokative Kampfansage, auch wenn die Biden-Regierung massiv von der Opposition kritisiert wurde, zu spät und zu schwach gehandelt zu haben. China reagierte verhalten, warnte zu übertreiben, meldete Protest an, aber kündigte nur nicht nähere beschriebene Antworten an, falls dies erforderlich ist. Jetzt muss das Pentagon erst einmal mit einer Untersuchung der im Meer offenbar weit verstreuten Reste des Ballons belegen, dass es wirklich um einen Spionageballon gehandelt hat. Klar wurde erst einmal, dass zwischen Peking und Washington weitgehend Funkstille herrscht, offenbar von beiden Seiten. Ansonsten geht das Sticheln und Provozieren während des Wettrüstens weiter.
Dieser Beitrag muss nicht unbedingt die Meinung der Redaktion widerspiegeln.
Titelbild: Angeblicher chinesischer Spionageballon im Himmel über dem US-Bundesstaat South Corlina, 4. Februar 2023 © Joe Granita/ZUMA Press Wire
Dieser Artikel ist ursprünglich auf dem Portal „Overton Magazin“ erschienen und wird mit dem Einverständnis des Autors veröffentlicht.
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