Von Stephan Hollensteiner
Eine Amtseinführung und viele Abkommen, große Gesten und Symbolik gehören zur Bilanz des viel beachteten China-Besuchs von Brasiliens Staatspräsident Luis Inácio Lula da Silva.
Nach der außenpolitischen Isolation Brasiliens unter seinem Vorgänger Jair Bolsonaro ging es Lula und seiner rund 250-köpfigen Delegation darum, die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu China zu re-intensivieren und auf ein neues Niveau zu heben sowie den Multilateralismus der eigenen Außenpolitik zu stärken.
China ist seit 2009 Brasiliens größter Handelspartner – 27 Prozent seiner Exporte gehen dorthin, der Warenaustausch erreichte 2022 mit mehr als 150 Milliarden US-Dollar einen neuen Rekordwert. Und dem wirtschaftlich potentesten Land der BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) kommt geopolitisch auch wegen Russlands Krieg in der Ukraine eine besondere Bedeutung zu.
Erste Station war Shanghai, wo Lula der Amtseinführung seiner politischen Vertrauten Dilma Rousseff als neuer Präsidentin der BRICS-Entwicklungsbank (New Development Bank, NDB) beiwohnte. Die gelernte Ökonomin, 2011 bis Mitte 2016 selbst brasilianische Staatspräsidentin, löst den von Bolsonaro ernannten Marcos Troyjo ab.
Die NDB wurde 2014 von den BRICS-Staaten als Alternative zu den Finanzinstitutionen Weltbank und Internationaler Währungsfonds gegründet. Mit einem Kreditvolumen von 50 Milliarden und einem Reservefonds von 100 Milliarden US-Dollar finanziert sie Infrastruktur- und Entwicklungsprojekte in den BRICS-Staaten, die 24 Prozent des weltweiten BIPs erwirtschaften und rund 2.800 Milliarden US-Dollar halten, circa 42 Prozent der weltweiten Devisenreserven. Bisher hat die NDB knapp 100 Projekte im Umfang von insgesamt 32,8 Milliarden US-Dollar finanziert. Seit 2021 sind Ägypten, Bangladesch und die Vereinigten Arabische Emirate (VAE) beigetreten.
Als NBD-Präsidentin stehe Rousseff vor zwei großen Herausforderungen, meint João Bosco Monte, Direktor des regierungsnahen Thinktanks Instituto Brasil Africa, in der Wochenzeitung CartaCapital: Zum einen Projekte für Klima- und Umweltschutz voranzubringen, deren Umsetzung aber vor allem von Chinas Finanzierungsbereitschaft abhänge. Zum anderen die Auswirkungen der westlichen Wirtschafts- und Finanzsanktionen gegen Russland abzumildern, von denen auch die NBD selbst betroffen ist. Wegen der Sanktionen gegen Russland ist die Suche nach Finanzierungsquellen auf den Kapitalmärkten schwieriger geworden.
Rousseff muss mit wachsenden geopolitischen Konflikten umgehen, die – wie die Rivalität zwischen China und Indien – auch die BRICS selbst betreffen. Daneben wird sie die Aufnahme neuer Mitglieder managen müssen: Schwellenländer wie Argentinien, Indonesien, Iran oder Saudi-Arabien wollen dabei sein, werden es aber schwieriger machen, gemeinsame Positionen zu finden. Schließlich soll die NBD-Präsidentin helfen, das große finanzpolitische Ziel zu erreichen: Geschäfte innerhalb des globalen Südens in lokaler Währung durchzuführen – ohne auf den Dollar zurückgreifen zu müssen, der wegen der Schwäche der meisten Süd-Währungen zusätzliche Kosten und Risiken bedeutet.
In ihrer Antrittsrede sprach sie von einer "großen Gelegenheit, mehr für die BRICS- wie für die Schwellen- und Entwicklungsländer zu tun". Auch Lula, der in der NDB perspektivisch "die große, freie Bank des Globalen Südens" sieht, unterstrich den Anspruch auf währungspolitische Eigenständigkeit: "Warum führen wir unseren Basishandel nicht in unserer eigenen Währung durch? Wer hat entschieden, dass es der Dollar ist?” Das trifft sich mit den Bemühungen von Peking, den Yuan auf den globalen Handels- und Finanzplätzen als Alternative zum Dollar zu etablieren.
Der erste Besuch eines Staatsoberhaupts der Brics-Staaten am NDB-Hauptsitz machte klar, dass beide Seiten der Reise besondere Bedeutung beimaßen. In Peking wurde Lula von Chinas Staatschef Xi-Jinping mit großem Protokoll und militärischen Ehren empfangen und als "alter Freund" bezeichnet – es war das dritte Zusammentreffen der beiden.
Auf brasilianischer Seite wurde der Stellenwert auch an der Größe und Zusammensetzung von Lulas Delegation deutlich. Sie bestand neben Ministern und Abgeordneten aus rund 200 Unternehmern und Lobbyisten, aber auch einigen Vertretern sozialer Bewegungen wie João Pedro Stedile, nationaler Koordinator der Landlosenbewegung MST (Movimento dos trabalhores rurais sem terra).
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Titelbild: Chinas Präsident Xi Jinping empfängt seinen brasilianischen Amtskollegen Luis Inácio Lula da Silva in Peking, 06. April 2023 © Ken Ishii/EPA
Dieser Artikel ist zuvor auf dem Portal „amerika21“ erschienen.
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