Von Florian Rötzer
Fern vom Schauplatz Ukraine spitzt sich ein neuer Konflikt zwischen der Nato und Russland und China zu. 11 russische und chinesische Kriegsschiffe fuhren letzte Woche an der Küste von Alaska in Richtung der Aleuten entlang. Die Schiffe, begleitet von 4 amerikanischen Zerstörern und einem P-8-Poseidon-Flugzeug, fuhren nicht in amerikanische Gewässer ein und haben das Gebiet wieder verlassen.
Es soll der bislang größte solche Schiffsverband vor der amerikanischen Küste gewesen sein. Allerdings betonte das Pentagon, die Flotte sei keine Bedrohung gewesen, weil sie nicht in amerikanische Gewässer eingedrungen sei. Zudem war die Fahrt angekündigt worden. Der Schiffsverband hatte Wladowostok am 27. Juli verlassen, war dann nahe Japan gefahren, um dann aus dem Japanischen Meer durch die Straße von La Pérouse in das Ochotskisches Meer zu steuern und weiter in die Bering See und nach Alaska zu fahren. Jetzt führt der Verband eine gemeinsame Übung zur Abwehr von Luftangriffen im Pazifik durch.
Admiral John Aquilino, Befehlshaber des Indo-Pacific Command, hatte schon im Juli gesagt, dass die Kooperation zwischen Beijing und Moskau eine „gefährliche Welt“ schafft. Eine Reaktion ist, dass wieder Forderungen nach Einrichtung eines permanenten Marinestützpunkts in Alaska laut wurden. Senator Sullivan sagte: „Das Eindringen von 11 chinesischen und russischen Kriegsschiffen, die gemeinsam vor der Küste Alaskas operieren, ist ein weiterer Beweis dafür, dass wir in eine neue Ära autoritärer Aggression unter der Führung der Diktatoren in Peking und Moskau eingetreten sind.“
Ähnlich wie amerikanische und Nato-Militärschiffe regelmäßig vor der Küste Chinas angeblich zur Freiheit der Schifffahrt (FONOPs) kreuzen, machen dies nun Russland und China auch. Es handelt sich um Machtdemonstrationen, die auch als Provokationen gedacht sind – stets mit dem Risiko, dass unbeabsichtigt eine Konflikt entstehen könnte. „In Zukunft könnte die chinesische Marine mehr solche Patrouillen auf hoher See durchführen, entweder allein oder gemeinsam mit anderen Ländern. Die Amerikaner sollten sich daran gewöhnen“, so Global Times zur gemeinsamen russisch-chinesischen Patrouille vor Alaska. Man streicht vor allem die zweifachen Maßstäbe von Washington heraus, da doch amerikanische Kriegsschiffe oft in chinesische Gewässer eingedrungen seien. Wiederholt wird, was auch Washington gerne bei solchen Provokationen beteuert: „Während die gemeinsamen Patrouillen Chinas und Russlands darauf abzielen, die Sicherheit wichtiger strategischer Routen zu gewährleisten, wollen die USA die Passagen aus ihrem hegemonialen Denken heraus kontrollieren.“
Die stärkere militärische Kooperation ist ein Ergebnis der Nato-Politik gegen Russland und China, schließlich ist ein Ziel der militärischen Unterstützung der Ukraine eine Schwächung von Russland, um dann besser gegen China vorgehen zu können. Aber nun erweist sich die Nato-Flanke im arktischen Norden als Schwäche, wie dies ein Artikel in Foreign Policy beschreibt und Aufrüstung sowie ein arktisches Kommando der Nato fordert: „Es kann nicht hingenommen werden, dass Russland nahezu ungestraft auf den Färöer-Inseln operiert oder durch seinen Einfluss in Grönland oder Spitzbergen die strategischen Kommunikationswege der NATO bedroht.“
Schon lange war klar, dass mit der Klimaerwärmung und dem abtauenden Meereis die Arktis mit ihren riesigen Ressourcen zu einem umkämpften Gebiet werden wird. Wladimir Putin hatte schon früh dafür gesorgt, die russischen Ansprüche mit zahlreichen militärischen Stützpunkten in der Arktis zu markieren. Schon 2007 hatte Moskau in einer symbolischen Aktion mit unbemannten U-Booten in einer Tiefe von 4200 Metern die russische Flagge auf dem als besonders ergiebig geltenden Lomonossow-Rücken postiert, den Russland für sich beansprucht – aber auch Dänemark und Kanada erheben Ansprüche (Nato-Russland-Konflikt in der Arktis, Aufrüstung in der Arktis).
Im geopolitischen Ressourcen-Spiel befinden sich Dänemark (Grönland), Finnland und Schweden ebenso wie Island, Norwegen, Kanada, die USA – und Russland gegen alle. Mit Militärübungen wie Trident Juncture lässt die Nato ebenfalls ihre Muskeln spielen. George W. Bush hatte vor dem Ende seiner Amtszeit die USA noch schnell zur arktischen Nation deklariert. Und China hatte auch schon 2018 mit seiner „arktischen Politik“ Ansprüche angemeldet und sich als „naher arktischer Staat“ bezeichnet.
Schon zuvor hat es zahlreiche Forschungsexpeditionen durchgeführt und 2004 die erste Forschungsstation auf der Svalbard-Insel eröffnet. Zusammen mit Russland wird der Arctic 2 LNG-Terminal für LNG aufgebaut (dabei sind aber auch Frankreich und Japan), aber vor allem soll der Nördliche Seeweg als Verbindung zwischen dem Pazifik und dem Atlantik und als Teil der chinesischen Seidenstraße (polare Seidenstraße) gesichert werden. China sucht Zugriff auf die Ressourcen, Russland benötigt Partner und Investitionen für den Ausbau der Infrastruktur.
Russland und China haben Sorge, dass die USA ihre Containment-Strategie auch auf die Arktis erweitern will. Der Beitritt von Finnland und Schweden zur Nato bekräftigt das. Nachdem der Arktisrat wegen des Kriegs in der Ukraine Russland ausgesperrt hat, wurde die Kooperation beider Länder auch in der Arktis vertieft. Die USA hingegen will den Einfluss Chinas und Russlands zurückdrängen und in der „strategischen Konkurrenz“ dominieren. Dabei geht es auch um verstärkte militärische Präsenz der USA und der anderen Nato-Staaten in der Arktis. Ex-Präsident Trump wollte deswegen gleich Grönland kaufen, wo sich bereits mit der Pituffik Space Base (früher Thule Air Base) seit dem Kalten Krieg ein amerikanischer Luftwaffenstützpunkt und Hafen befindet, der NORAD mit dem Ballistic Missile Early Warning System (BMEWS) zur Überwachung von Raketenstarts und mit einem Teil Space Delta 6 zur Kontrolle von Satelliten dient.
Der Nördliche Seeweg würde die Transportkosten und -zeiten senken und den Handel zwischen Asien und Europa befördern, was die USA möglichst unterbinden wollen. Auf chinesischer Seite gibt es überdies ein strategisches Interesse an der Arktisroute über die Ausbeutung der enormen Ressourcen hinaus, da Chinas Wirtschaft zu einem großen Teil von Im- und Exporten durch Schifffahrt abhängt. Global Times weist auf das geopolitische Interesse hin: „Die Öffnung der arktischen Schifffahrtsroute ist von großer strategischer Bedeutung. Die USA haben die Kontrolle über die wichtigsten Verkehrswege der Welt übernommen und verfügen über Militärstützpunkte in der Nähe einiger wichtiger Wasserstraßen, wie z. B. den Marinestützpunkt Changi in Singapur, der sich am östlichen Ende der Straße von Malakka befindet.“
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Titelbild: Russland und China führen eine gemeinsame Flotten-Übung zur Abwehr von Luftangriffen im Pazifik durch, 9. August 2023 © Russian Defence Ministry/TASS
Dieser Artikel ist ursprünglich auf dem Portal „Overton Magazin“ erschienen und wird mit dem Einverständnis des Autors veröffentlicht.
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