Laut einem Bericht des Portals Amerika 21 lässt eine vor Kurzem abgegebene Stellungnahme des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell darauf schließen, dass Brüssel Juan Guaidó nicht mehr als den Interimspräsidenten Venezuelas anerkennt. Borrell hatte am Mittwoch schriftlich mitgeteilt, dass die EU zwar für weitere Gespräche mit Guaidó bereit sei, allerdings vermieden, ihn wie bisher als "Präsident der Nationalversammlung" zu bezeichnen.
Am Dienstag war das aus den Wahlen vom 6. Dezember 2020 hervorgegangene Parlament Venezuelas erstmals zusammengetreten. Guaidó, der als Parlamentschef abgewählt worden war, will jedoch weiterhin ein Parallelparlament anführen und sieht sich noch immer als Interimspräsident seines Landes.
Dem Bericht zufolge könnte die EU mit der Stellungnahme von Borell den ersten öffentlichen Schritt gemacht haben, von Guaidó abzurücken. Venezuela brauche "dringend eine politische Lösung, um die derzeitige Sackgasse durch einen inklusiven Dialog- und Verhandlungsprozess zu beenden". Man wolle dafür das "Engagement mit allen politischen und zivilgesellschaftlichen Akteuren fortsetzen, die sich um die Wiederherstellung der Demokratie in Venezuela bemühen". Zwar nannte Borrell umgehend "Guaidó und andere Vertreter der 2015 gewählten scheidenden Nationalversammlung", mit denen "insbesondere" Gespräche geführt werden sollen. Trotzdem wird Guaidó nicht mehr wie bisher als "Präsident der Nationalversammlung" benannt. Dies interpretierten einige internationale Medien als ein Abrücken der EU von Guaidó.
Eine Sprecherin des Auswärtigen Amts bestätigte die Unterstützung der Bundesregierung für die Position der EU, vermied aber eine Antwort auf die Nachfrage, ob Deutschland Guaidó weiterhin als Interimspräsident anerkenne.
Der Verweis von Borell auf Gespräche "mit allen politischen Akteuren" müsste nun auch wieder die Regierung um Präsident Nicolás Maduro und die mehrheitlich mit regierungsnahen Abgeordneten zusammengesetzte neue gewählte Nationalversammlung beinhalten.
Vor allem nachdem der als neuer Parlamentspräsident gewählte Jorge Rodríguez am Dienstag angekündigt hatte, eine "Kommission für einen nationalen Dialog" einrichten zu wollen, der "alle Sektoren des Landes" angehören sollen. Dies entspricht im Grunde exakt der Aufforderung von Borrell und der EU.
Im Januar 2019 hatte sich Juan Guaidó in Folge der Massenproteste gegen Maduro als Chef der Nationalversammlung zum venezolanischen Interimspräsidenten erklärt. Während die USA, die EU und und mehrere andere Länder Guaidó als Übergangsstaatschef anerkannt haben, betrachten China, Russland, Indien und mehrere andere Staaten Maduro weiterhin als den legitim gewählten Präsidenten Venezuelas.
Titelbild (Archiv): © Miguel Gutierrez/EPA
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